Auf dem Display leuchteten die Anrufer-Namen auf: Klinik-Med1, Lst Grüngart, Lst Lit-urgitationswissenschaft, Lst Internationale Rechtsverdrehung, Bundesverband PC-behinderter Lehrstuhldrachen.
Alle DAUs der Welt hatten sich verbündet und terrorisierten mich gleichzeitig mit ihren Anrufen.
Ich versuchte verzweifelt die Telefone abzureißen oder zu zertrümmern, hatte aber keine Chance gegen die kugelsicheren Stahlgehäuse. Immer wieder sprang ich auf und hämmerte mit meinen Fäusten gegen die Quälgeister bis mir die Finger schmerzten, doch ich konnte ihnen nichts anhaben, im Gegenteil, mit jedem erfolglosen Angriff wurde der Klingelton etwas höher. Und höher. Und höher. Der Jingle steigerte sich bis in einen Frequenzbereich, der mir die zuerst die Nackenhaare aufstellte, dann die Schamhaare und dann die Zehennägel. Irgendwann sank ich winselnd auf den Fußboden, krallte meine Fingernägel immer tiefer in den Linoleumboden und schlug mit meinen Kopf auf den Boden ein.
<pieppieppiep> <pieppieppiep> <pieppieppiep>
Zum Glück erlöste mich der Wecker. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern wie ich es zur Kaffeemaschine geschafft habe und wie es überhaupt dazu kommen konnte daß ich jetzt in der Arbeit sitze.
Jedenfalls ist es Montag, mein Magen singt das Lied von Tod und auf meinem Kopf sitzen kleine schwarze DAUs die mit klitzekleinen Preßlufthammern meine Schädeldecke bearbeiten.
*jaul*
Heute ist ein schlechter Tag. Ein ganz schlechter Tag!
Ich muß irgendwie meine Aggressionen abbauen. Der Sündenbock vom Dienst hat leider Urlaub. Nun gut, dann müssen eben die Benutzer dran glauben. Ich beschließe als kleine Aufwärmübung sämtliche unberechtigten Netzschmarotzer zu vernichten.
Ratter klicker ratter klicker ratter.
Piep.
4 users deleted.
Ich sinke zurück in meinen Stuhl und seufze tief.
Was nun? Unruhig wandern meine Augen umher.
Mein Blutdurst ist noch nicht befriedigt.
Schräg gegenüber sitzen nichtsahnende Arbeitskollegen.
Zeit für eine kleine Spaßrunde.
Der Unix-Bruder, mein erstes Opfer.
„Hey Kumpel, hast Du schon gehört? Deine Stelle wird gestrichen!“
Er schaut mich entgeistert an. Ich lächle mütterlich und klopfe ihm auf die Schulter.
„Keine Panik Junge, Du kannst natürlich hier bleiben. Der Chef weiß ja Deine Extrovertiertheit zu schätzen und hat Dich deshalb für die Windows-XP Benutzerbetreuung vorgesehen.“
Ich labe mich genüßlich an seinen weit aufgerissenen Augen. Noch bevor er sein Kinn wieder hochklappen und etwas erwidern kann, setze ich gönnerhaft hinterher:
„Und weißt Du was das Beste ist? Du darfst auch Kurse für Sekretärinnen geben und denen zeigen wie man Office-Assistenten individuell anpaßt. Du weißt schon, dieser putzige Karl Klammer und so weiter. Alles schön bunt und bewegt. Man kann sogar Fotos von Brad Pitt hineinmontieren. Das soll die Motivation der Sekretärinnen steigern. Eigentlich erklärt es sich von selbst mit vielen ungefragt aufpoppenden Hilfefenstern, aber da das ja Sekretärinnen sind soll das sicherheitshalber trotzdem jemand mal in einem Kurs vorführen. Das ist doch eine echte Herausforderung für Dich! Freust Du Dich auch, ja?“
Bevor ich in Lachen ausbreche laufe ich schnell weiter. Um die Ecke sitzt ein eingefleischter Netzwerkprofi. Ich weise ihn im Vorbeigehen darauf hin, daß schon drei Benutzer angerufen hätten, „das Internet“ würde nicht gehen, er solle das doch mal reparieren. Und warum eigentlich unser Intranet so langsam sei, frage ich ihn auch noch.
Er wirft mir wutentbrannt einen Hub hinterher.
„Daneben! ...ich hab übrigens gesehen daß Du schon wieder Pornos runtergeladen hast! Wenn Du auf sowas stehst, dann wird das natürlich nie was mit den Frauen!“
Ich lache dreckig und nähere mich dem ersten weiblichen Opfer des Tages. Meine Kollegin sitzt hochkonzentriert hinter einem Monitor versunken und arbeitet schon seit Stunden. Unter ihren Ringen zeichnen sich dunkle grau-lila Schatten ab. Sie rackert sich schon die ganzen letzten Wochen ab und scheint ziemlich im Streß zu sein. Trotzdem hat sie sich dazu durchgerungen, eine Benutzer-Dokumentation zu erarbeiten, auf die wir anderen faulen Säcke keine Lust hatten.
Ein guter Zeitpunkt also, um ihr etwas Anerkennung zukommen zu lassen.
„Morgen! Na, schon wieder sinnlos beim Rumsurfen? Du machst auch den ganzen Tag nix Gescheites, he?“
Ihr Blick verdüstert sich. Sicherheitshalber entferne ich mich aus Ihrem Beißradius.
In dem Moment, in dem sie zu ihrer Verteidigungsrede ansetzt, betritt ein anderer Kollege den Raum, offensichtlich entspannt und gut gelaunt. Ich beschwere mich daß er schon wieder ein HTML-Dokument mit Frontpage bearbeitet hätte. Stimmt zwar nicht, trifft aber genau seinen wunden Punkt. Seine Miene versteinert sich augenblicklich, er schnappt nach Luft.
„Hey! Ich...“
-weiter lasse ich ihn nicht kommen. Schnell springen ich in den offen stehenden Aufzug und schließe die Tür hinter mir, damit niemand mein hämisches Kichern hören kann.
Empörung auf Knöpfchendruck. Herrlich! Wie schön daß es Dinge gibt auf die man sich verlassen kann.
Ein tiefer Atemzug. Genug gearbeitet für heute! Aggressionsabbau kann ganz schön anstrengend sein. Aber ich liebe meinen Job!
Ich dehne und strecke mich genüßlich, lehne mich zurück und drücke auf den Knopf [H] wie Hölle. Dann schließe ich die Augen während sich der Aufzug sanft in Bewegung setzt und mich hinunter in meine Heimat trägt.